Seminar „Urban Interventions“

SS 2012, Leitung: Johannes M. Hedinger, Mitarbeit: Stephanie Henk

Urban Interventions nennt man die Weiterentwicklung künstlerischer Interventionen im urbanen Raum. Es ist ein Wechselspiel von Kunst, Architektur, Performance, Installation und Aktivismus. Das Öffentliche wird zu einem privaten Erlebnis. Die oft anonymen Arbeiten beschäftigen sich mit jeglichen Aspekten und Bestandteilen der Stadt. Die Straße wird zur Leinwand und Galerie, zum Atelier, Labor und Club. Die Kunst kommt zum Publikum. Modifizierte Straßenschilder, Schaukeln an Bushaltestellen und Bilder aus Sand oder Schnee fordern uns heraus, unsere Umwelt zu entdecken, sie auf neue Art wahrzunehmen und mit ihr zu interagieren. Urban Interventions kommentieren und kritisieren auf intelligente Art und nehmen Bezug auf die Planung, Nutzung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raums.

Im Rahmen des Seminars entwickelten die Studierenden in Einzel- oder Gruppenarbeiten eigene Projekte im Stadtraum von Köln (und Bonn).

In der Folge finden sie eine Auswahl dieser studentischen Arbeiten:

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Steffi Pfalz: Verpixelt

Ausgangslage

Schon bei meinem Rundgang im Rahmen der ersten Seminarsitzung sind mir die vielen unperfekten, kaputten, rissigen Stellen, die das Stadtbild prägen ins Auge gefallen: Risse im Asphalt, Risse und Spalten im Mauerwerk, Spalten zwischen Gehwegplatten oder anderen Begrenzungen (Blumenkübel) oder auch komplett fehlende Steine im Mauerwerk oder Pflastersteine am Boden. All dies bietet Raum für Intervention im Kleinen. Darüber hinaus gibt es auch viele gewollte „Lücken“ im Stadtbild, wie z.B. Gitter (zur Kellerbelüftung) an vielen Häusern in Bürgersteighöhe. An solchen Orten, Stellen fehlt es jedoch oft an Farbe. Die Gitter bieten zudem Platz für kleine einfache Botschaften, die jeden ansprechen, der die Augen hat, sie zu entdecken.

Projektbeschreibung

Mein erster Impuls war, große, überdimensionierte Pflaster zu gestalten, die ich über Risse im Asphalt klebe oder kaputte Blumenkübel „verpflastere“. Im Grunde aber gefällt mir das Unperfekte und leicht Nachlässige, leicht Morbide im Stadtbild. Glatte Betonflächen und sandstrahlgereinigte Plätze sind viel lebloser. Außerdem wollte ich etwas Subtileres schaffen und die vorgefundenen Lücken irgendwie nutzen. Großartige Interventionen dieser Art sind schon mit Legosteinen und auch mit Wolle realisiert worden. Eine weitere Überlegung war Füllmaterial, das man einfärben kann und in die Ritzen füllen. Da hätte man aber das Problem, dass das Material durchtrocknen muss und ich wollte mit etwas arbeiten, das sich entfernen lässt, da ich auch an privaten Häusern arbeiten möchte. Im Schulbastelbedarf bin ich auf Bastelhölzer gestoßen, die ich nun mit Neonfarbe besprühen dann zum Einsatz bringen werde. Die Gitterlücken lassen sich pro Loch mit 4 x 4 Bastelhölzern füllen, ein einfaches Herz besteht aus 34 gefüllten Löchern. Pro Herz müsste ich also 34 mal 16 Hölzchen zusammen kleben, was mich auf die Idee bracht, aus Leisten mit einem Quadratischen Grundriss Würfel bzw. kurze Stäbe zu sägen, diese einzufärben und zu verarbeiten. Drei Einsatzarten habe ich vor umzusetzen. Einmal das einfache „Auffüllen von Lücken“ (wie z.B. bei dem hölzernen Poller), dann das Bauen von „Mini-Gerüsten“ in größeren Lücken, dann das gepixelte Herzicon in kleineren Gittern und eine Aussage wie „don´t forget to play“ in größeren.

Der Satz „don´t forget to play“ sagt eigentlich schon alles. Nicht alles so ernst nehmen, sich auch als Erwachsener Zeit zum Spielen zu nehmen, wieder Kind sein zu dürfen, der Phantasie nicht nur freien Lauf zu lassen, sondern seine Phantasien eben auch auszuleben, auszudrücken … all das will „verpixelt“ anregen. Die Zeitfenster und Gelegenheiten dazu gibt es in jedem Leben (genauso wie es überall im Stadtbild Lücken, Leerräume, Flächen, Löcher und Zwischenräume gibt), man muss sie nur nutzen. Die Dramaturgie, der Effekt liegt im Gegensatz von massivem Stein, und kleinen, zerbrechlichen Holzstäbchen zum einen und auch im Kontrast der dunklen Steine, Mauern etc. zu den leuchtenden Neonfarben der Stäbchen und Stäbe. Es kann einen Überraschungseffekt geben, dass man das Herz oder gerade auch die Schrift auf den ersten Blick nicht erkennt. Gerade auch bei den simpel gefüllten Lücken fragt man von weitem vielleicht, was an dem Poller z.B. so neongelb leuchtet und erst, wenn man sich die Mühe macht, sich hinzuknien, kann man entdecken, worum es sich handelt.

Im Moment sind Neonfarben wieder total angesagt, zumindest im Modebereich. Dieser 80er- Retrotrend soll aufgegriffen werden. Zugleich haben die Farben den Vorteil, sich gut sichtbar abzuheben, so dass auch die kleinen Pixelbilder gut zu sehen sind. Die Menschen erfreuen sich hoffentlich an den kleinen Fluchten aus ihrem Alltag, aus ihrem Weg zur Arbeit, zum Zahnarzt oder zum Einkaufen. Das Spielen, Rumspinnen, Experimentieren und „einfach machen“ kommt im Leben eines Erwachsenen oft zu kurz. Das Projekt erinnert die Menschen daran, mal wieder zu Spinnen, zu Basteln, zu Spielen und das innere Kind frei zu lassen. Im Kontext der Straße muss auch die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ nicht beantwortet werden. Wer es mag, schaut es sich gerne an, wer es nicht mag, schaut weg.

Zielgruppe

Was die Ästhetik, die Optik angeht, werden sich wohl gerade aufgrund der Neonfarben eher Menschen unter 40 Jahren angesprochen fühlen. Das Herz ist ein so eindeutiges Symbol, das es jedem Menschen etwas sagt und sich jeder auf eine Art und Weise angesprochen fühlt. Das es formal gesehen eher nüchtern daher kommt und eben an digitale Pixel erinnert, spricht es von der Ästhetik her eher jüngere Menschen an. Um „don´t forget to play“ zu verstehen, muss man zumindest ein kleines bisschen Englisch verstehen. Das Projekt wird nur Menschen erreichen, die mit offenen Augen durch die Stadt laufen.

Botschaft

Don´t forget to play! Love is all around! Enjoy the little things! Liebe Deine Stadt! Geh mit offenen Augen durch die Stadt. Pixel gibt es auch im analogen Leben und sogar aus Holz. Lücken bieten Platz für Phantasie. Fehler (Lücken, Risse, Löcher) sind eine Chance, Herausforderung.

verpixelt from Steffi Pfalz on Vimeo.

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Theresa Tamborino, Lisa Scheibe: Grünstreifen-Küche

Ausgangslage

Köln ist eine sehr grüne, menschenfreundliche Stadt, die zum Wohlfühlen und Verweilen einlädt. In etlichen Parks trifft man auf Familien, Studenten und spielende Hunde,  die die schöne Atmosphäre in den gepflegten Anlagen genießen. Köln ist eine Stadt mit Flair, trotzdem fallen einem beim genaueren Betrachten, viele ungenutzte Flächen auf.   Was ist zum Beispiel mit dem Grünstreifen auf der Tel-Aviv-Straße? Eine sehr befahrene Straße, viele Passanten und ein ungepflegter Rasenstreifen mittendrin.

Projektbeschreibung

Der ungepflegte Rasenstreifen muss besser genutzt werden. Wir holen das Häusliche nach Draußen. Mit Küchentisch, Stühlen und allem was zu einer gut ausgestatteten Küche dazugehört, wird das Mittagessen und häusliche Leben nach Draußen verlagert. Nach Draußen, auf den Grünstreifen, in Mitten einer stark  befahrenen Straße. Tischdecke, Tischkerze und Haushaltsgeräte helfen die Küche authentisch wirken zu lassen. Pünktlich  zur Mittagszeit, haben wir am 25. Juni 2012, mitten auf der Straße Gurken geschält, Möhren schnitten und Tomaten gewaschen. Wir haben den Tisch gedeckt und anschließend Spagetti und Salat genossen,  während wir  die Reaktion der Passanten und Autofahrer auf uns wirken gelassen haben.

Zielgruppe

Unsere Zielgruppe umfasst alle Altersgruppen und alle Schichten, da sich jeder mit dem Thema identifizieren kann.

Ziel/ Botschaft

Unsere Zielgruppe sollte angeregt werden die Umwelt bewusster und mit anderen Augen wahrzunehmen. Es sollte ein kreativer Anstoß geschaffen werden, Flächen sinnvoll und alternativ zu nutzen und gestalten. Dies ist uns schon ziemlich gut gelungen, viele Menschen blieben interessiert stehen und plauderten mit uns. Beim nächsten Mal, werden wir die Passanten zu unserem Essen einladen, wir werden einen  weiteren Stuhl und Teller dazu stellen,  so kommt man ins Gespräch und kann gemeinsam etwas bewegen…

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Angelina Pfütze, Thorben Becker: Ampelkunst

Ausgangslage

Da wir in einer Stadt leben, in der man nahezu jeden Punkt mittels Nahverkehr erreichen kann, ist es unser Ziel, dieses den Autofahrern zu vermitteln. Unsere Intervention versucht deshalb dieses Problem anzusprechen und dieses den Menschen bewusst zu machen, so dass im Idealfall Menschen ihr Auto stehen lassen und auf alternative Verkehrsmittel zurückgreifen.

Projektbeschreibung

Mit unserem Projekt möchten wir die Menschen dazu bewegen, ökonomisch zu Denken und zu Handeln. Doch wie können wir die Autofahrer am besten erreichen?

Unsere Idee ist, eine Ampel an einer vielbefahrenen Straße, geringfügig zu ,,modifizieren“. Bei der Modifikation kleben wir Schablonen vor die Ampeln, dass bei Rot  ,,Save“ und bei Gelb ,,The“  stehen soll. Vor der Grünen Lampe wollen wir eine vereinfachte Weltkarte montieren, so dass am Ende der Slogan „Save the World.“ bzw. ,,Save the Planet“ entsteht.  Die Schablonen die wir hierzu entwickeln, sollen folgende Kriterien erfüllen: 1. Sie sollen einfach zu lesen sein und 2. Nicht viel von der Ampel verdecken, so dass man die Ampelphasen problemlos mitsamt der Botschaft verfolgen kann.

Zielgruppe

Unsere Zielgruppe spricht zunächst einmal klar jeden Kraftfahrzeugfahrer an und dies jeglicher Altersstufe. Aber wir wollen natürlich auch die Beifahrer erreichen. Deshalb beziehen wir jeden mit ein, der fähig ist den englischen und symbolischen Slogan zu verstehen.

Ziel

Ziel unserer Intervention ist es den Menschen ins Gewissen zu reden und zu mehr Umweltbewusstsein zu motivieren. Dadurch dass wir die Menschen in der praktischen Situation, also dem Autofahren ansprechen, erhoffen wir uns einen höheren Erfolg

Standort

Unsere Urban Intervention ist an der Dürenerstrasse in Köln zu finden.


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Hannah Herzer, Camilla Brands, Cosima Heuer: Expansion

Ausgangslage

Wir intervenieren um aufmerksam zu machen, auf die Fesseln der Gesellschaft, die zu erfüllende Ansprüche an das Individuum stellt. Die Anonymität der Großstadt gegenüber der individuellen Persönlichkeit der Bürger soll Thema sein. Die Gesellschaft, die die Menschen in Klassen presst und die Individualität und Persönlichkeit stets unter der Maske des allgemeinen Anspruchs verstecken muss. Der Mensch inszeniert sich selbst und versteckt das eigentliche Selbst hinter einer Fassade gesellschaftlicher Normen und Ansprüche.

Projektbeschreibung
– Vorstellung: große Fußgängerzone, Masse an Menschen
– Eine Frau in konventioneller konservativer Kleidung in gedeckten Farben und einer schicken Ledertasche läuft zielstrebig die Schildergasse entlang. Sie holt sich bevor die losläuft einen Kaffee beim Starbucks und wirft den Becher hinter sich
– putzt sich die Nase und schmeißt das Taschentuch hinter sich
–  schminkt sich im Gehen mit Wattepads ab und wirft die Utensilien hinter sich
– lässt die Tasche fallen
– öffnet ihr Haar
– fängt an sich die Schuhe auszuziehen
– den Blazer…
– die Strumpfhose…
– den Rock…
– das Shirt…
Bis sie nur noch einen hautfarbenen Body trägt. Sie läuft solange, bis sie auf eine Frau, ebenfalls in konservativem Dress, stößt, welche ihr den Weg versperrt. Nach mehrfachem Versuch diese Grenze zu durchbrechen und der Feststellung, dass dies unmöglich ist, lässt sie sich von der fremden Person zurückdrängen und geht rückwärts die gesamte Strecke zurück. Hierbei wird sie gelenkt von der Person die sie vor sich her zurückdrängt. An den Stellen, wo sie die Kleidung hinterlassen hat, zieht sie sich diese wieder an, bis sie schließlich sie zum Anfang zurückgelangt. Dort dreht sie sich nochmal mit der Person um die eigene Achse, sie trennen sich und gehen in verschiedene Richtung ihres Weges. Sie  verschwindet dort wieder im Starbucks und im allgemeinen Strom.

Erzählform, Narration und Dramaturgie
– Die Performance hat eine steigende Handlung, die im Klimax ihren Wendepunkt findet und dem Protagonisten gelingt sein Vorhaben, nämlich der Ausbruch aus den Fängen der gesellschaftlichen Normen, nicht und wird somit gebrochen.

– nonverbale Performance ( prozessästhetisches Ereignis, bei dem die Handlung des in einem „Echt-Zeit- Raum“ agieren Künstlers zum Kunstwerk wird)

Ort, Form, Dauer, Rahmenbedingung
Schildergasse, Performance, ca. 20 Min, öffentlicher Raum, einmalige Liveperformance

 Ziel
– Aufmerksamkeit erregen, Überraschen und zum Nachdenken anregen
– Bei der Zielgruppe soll eine Irritation ausgelöst werden, die dazu führen soll, den Blick auf das eigene Selbst zu richten und sich selbst zu hinterfragen.

Botschaft
– Prozess der Identifikation
– Individualismus vs. Gesellschaft
– Normen und Zwänge
– Ästhetik des Körpers
– künstliche Ästhetik vs. natürliche Ästhetik
– nonverbale Kommunikation
– Freiheit und Entfaltung
– Befreiung des Selbst
– Konsumkritik, Massenproduktion von Ketten

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Eva Wolters, Vanessa Schneider: „Urban Network“

Ausgangslage

Als Thema für unsere urbane Intervention haben wir uns das soziale Netzwerk facebook ausgesucht. Die Tatsache, dass viele Leute viel Zeit damit verbringen, oft sinnlose Kommentare bei facebook zu posten, hat uns darauf gebracht, uns mit diesem Thema zu beschäftigen.

Legende: Hohenzollerbrücke

Projektbeschreibung

Unser Ziel ist es, den Menschen den Umgang mit Facebook bewusst zu machen, sodass sie ihr Verhalten diesbezüglich reflektieren. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass wir die facebook-Nutzung in erster Linie nicht kritisieren wollen, sondern hauptsächlich zeigen wollen, dass neben den vielen „sinnlosen“ Kommentaren auch schöne, lustige oder poetische posts entstehen können. Also haben wir versucht, eine bunte Mischung aus „sinnlosen“, lustigen, poetischen und kritischen Kommentaren zu erstellen, um unsere Überlegung zu verdeutlichen. Als Benutzernamen haben wir meistens Namen gewählt, die so unauffällig sind, dass sie die breite Masse repräsentieren können, oder welche, die thematisch zu dem Geposteten passen. Zudem haben wir anonymisierte Profilbilder benutzt. Die Kommentare entsprechen im Design in etwa dem facebook-Stil, lediglich haben wir das Logo nicht verwendet, sondern die Buchstaben durch vereinfachte Formen ersetzt und die anderen Charakteristika wie die Profilbilder und den Gefällt-mir-Button in veränderter Form eingesetzt. Das Projekt erstreckt sich über Innenstadt und näherer Umgebung, zum Beispiel Neumarkt, Heumarkt, Schildergasse, Universität und Sülz. Die Kommentare beziehen sich meistens auf die Orte, an denen sie angebracht worden sind. Eine zeitliche Begrenzung ist nicht vorgesehen: die Schilder sollen so lange hängen bleiben, bis sie von alleine abfallen, kaputt gehen oder entfernt werden. Den Passanten steht es offen, die Kommentare zu erweitern oder dazu Stellung zu nehmen. Die angesprochene Zielgruppe sind zunächst einmal alle Leute, die die Schilder sehen, insbesondere aber alle facebook-User, vor allem Jugendliche.

Legende: Humanwissenschaftliche Fakultät

Ziel

Ziel ist es, den Leuten bewusst zu machen, wie sie mit facebook umgehen. Dabei ist es nicht unsere Absicht, vor der Nutzung zu warnen, aber durchaus eine kritische und reflektierte Haltung zu erzeugen.