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Der Hacker und die nächste Politik

von mspro

Der Hacker ist der Held der nächsten Kunst, so Torsten Meyer in seiner zweiten These zur nächsten Kunst (Englische Version). Der Hacker ist aber auch der Held der nächsten Politik.

Eine in Hackerkreisen beliebte Definition des Hackens lautet schlicht “Atypisches Nutzerverhalten”. Eigentlich ist es eine Fremdbezeichnung der damals, in den 80ern noch als “Deutsche Bundespost” firmierende Aufseherin aller Datennetzwerke. Gerade in seiner ganzen beamtendeutschen Bräsigkeit markiert der Begriff immer schon die Opposition zum “gewünschten Nutzerverhalten”.

Die Abweichung, die Alternative ist auch das wesentlichste Strukturmerkmal des Hacks. Der Hacker weiß, es gibt nicht die eine Weise, ein Gerät, eine Software, einen Dienst oder ein sonstiges technisches Artefakt zu verwenden, sondern es gibt immer auch eine Alternative. Es gibt immer einen Weg, der nicht vorhergesehen war. Das ist die Politik des Hackens: das Aufzeigen und Schaffen von Alternativen.

Torsten Meyer hat den Hacker als Ablösefigur des Intellektuellen, des Kritikers und des souveränen Subjekts eingeordnet. Der Intellektuelle appellierte an die Öffentlichkeit, der Kritiker kritsierte die Werke und gesellschaftlichen Zustände und das souveräne Subjekt behauptete seine Souveränität gegenüber seiner Umwelt. Die Helden vergangener Diskurse, sie interessieren den Hacker wenig.

Der Hacker kehrt der Öffentlichkeit den Rücken zu, schließt sich ein in sein Zimmer und zückt den Lötkolben. Die Öffentlichkeit kann ihm bei seinem Problem nicht helfen. Er weiß, er alleine kann den Unterschied machen, den er braucht. Er allein kann eine Alternative schaffen zu den alternativlosen Systemen der Mächtigen. Die Öffentlichkeit kann ihm dabei egal sein. Es ist umgekehrt: die Öffentlichkeit braucht ihn.

Der Hacker kann mit dem Kritiker nichts anfangen. Warum etwas kritisieren, anstatt es besser zu machen? Hacken bedeutet forken. Forken – “Gabeln”, heißt es, wenn man ein Projekt an einem bestimmten Punkt seiner Entwicklung verzweigt. Die Codebase teilt sich und wird einfach in zwei unterschiedliche Richtungen weiterverfolgt. “Behalte deine Meinung. Ich mach was neues.” Etwas zu forken ist besser als es zu kritisieren.

Der Hacker zuckt mit den Schultern gegenüber dem souveränen Subjekt. Der Hacker weiß, dass er eingebunden ist in einem riesigen Wust an Infrastruktur. Er weiß, dass er tun kann, was er tut, weil Generationen vor ihm Code geschrieben haben, auf dem sein Code aufbaut. Er codet auf den Schultern von Giganten. Er lässt die Giganten marschieren unter seinem Regime. Selbstermächtigung ist besser als Souveränität.

Es geht dem Hacker dabei gar nicht mal darum, die eigene Alternative durchzusetzen, oder das bestehende System zu überwinden. Der Hack will nicht Kalif anstelle des Kalifen werden. Der Hack ist sich selbst genug. Hacken tut man, weil es geht. Alles nur für den “Spaß am Gerät”, oder “For the lulz”, wie es neuerdings heißt.

Und doch ist der Hack das dringendste politische Programm, in einer Welt, deren politische Grundkonfiguration die Alternativlosigkeit ist. Das atypische Nutzerverhalten ist ein Akt der Freiheit, denn es ist das Ausbrechen aus einem System, das alles durchzuregieren droht. Der Hack hilft zwar nicht, das System zu überwinden, sich von ihm unabhängig zu machen oder irgendeine Souveränität gegen es zu behaupten (das ist das alte Denken). Das atypische Nutzerverhalten überwindet aber die inhärente Totalität die jedem System zu eigen ist. Es stellt dem System die Alternative als Versprechen und/oder Drohung gegenüber und verweist somit auf die Kontingenz und Fragilität seines Machtanspruchs.

Das ist schon eine ganze Menge.

10 Jahre Mocmoc

gerade wieder sehr aktuell:
anlässlich des 10jährigen Bestehen von Mocmoc wird der frühere Streit um Kunst+ Politik, Demokratie, Identität, öffentlicher Raum und Strategien nochmals hervorgeholt.
Ostschweiz am Sonntag 15.9.13; Thurgauer Zeitung 16.9.13; weitere infos zum Mocmoc von Com&Com; Dokfilm über Mocmoc

Penisbrücke von VOINA

5-Voina
In 2010, Russia’s activist art collective Voina rose to fame when they painted a giant phallus on a drawbridge in St. Petersburg. It rose, effectively flipping off the Federal Security Service headquarters, which oppressed citizens would refer to as the modern-day KGB. Dick Captured by the FSB remained erect for hours. In 2011, after Voina members were persecuted and jailed for a different anarchistic action, the anti-government piece won the government-approved Innovation prize for best visual work of art. Oh, the irony. via


Voina explains – „In the night of June 14, 2010 in St. Petersburg, on the Che Guevara birthday, the Voina group painted the Dick, 65 m high and 27 m wide, on the Liteiny Bridge before it rose. At 1 a.m. the bridge started opening up, and the huge Cosmic Dick stood up just opposite the main building of the KGB in St. Petersburg. The activists painted the Dick in 23 seconds, while running and fighting with the bridge security. The paint was poured from the cans onto the bridge roadway. Alex Plutser-Sarno, the Voina activist, defined the genre of the action as a “sketch in the open air” or a “street sketch”. Alex proclaimed that the Dick was turned on not only by the main KGB office, but by the whole hierarchy of power in Russia. And it also was a protest against the heightened security measures expected at the International Economic Forum, held from June 17 in Saint Petersburg, the hometown of both Russian President Dmitry Medvedev and Prime Minister Vladimir Putin.“

The Wa: Masterpiss (2012)

via Rebelart, there is more.

Lukas Lehmann: “RECONSUM”

“Reconsum”: Abfall vor Supermärkten wurde gesammelt, getrennt und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. via Rebelart, thx.

Versuch über Hacking als soziale Form

– via autopoiet/blog (Sebastian Plönges), dort kann man auch Kommentieren –

„Yes, I am a cri­mi­nal. My crime is that of cu­rio­sity.“ – „The Men­tor“1

„Die Sub­ver­sion ist die ele­men­tare Form des Vir­tu­el­len, in­so­fern sie die Rea­li­tät der ei­nen Struk­tur nur nutzt, um dar­aus die Rea­li­tät ei­ner an­de­ren Struk­tur zu ge­win­nen.“  – Dirk Ba­ecker2

„Get your­self out of wha­te­ver cage you find your­self in.“  – John Cage

Be­funde.

Die Rede vom „Hacking“ und ih­rem Prot­ago­nis­ten, dem Ha­cker, fei­ert seit ei­ni­ger Zeit ein be­mer­kens­wer­tes Comeback. Es ist nicht das erste sei­ner Art. Für die spä­ten 1990er Jahre dia­gnos­ti­zierte Claus Pias eine ver­mehrte Ver­wen­dung des Be­griffs, sei es „[…] als ma­ni­fest­hafte Be­grün­dung von Polit-Aktionen oder im Rah­men ei­nes ‚In­for­ma­tion War­fare‘ vom com­pu­ter­be­stück­ten Schreib­tisch aus, sei es als Terror-Szenario mi­li­tär­na­her Be­ra­ter­or­ga­ni­sa­tio­nen oder als Konzeptkunst-Strategie, sei es als Me­ta­pher ei­nes real exis­tie­ren­den De­kon­struk­ti­vis­mus oder als Hoff­nung ei­nes di­gi­ta­len Neo-Situationismus, sei es als amt­li­che Pra­xis von Ge­heim­diens­ten oder nur als glo­bale Lie­bes­er­klä­rung durch ei­nen Vi­rus.“3 Die Ana­lyse scheint heute trif­ti­ger denn je. Ein kon­kre­ter An­lass, sich wie­der auf die Spur des Ha­ckers zu be­ge­ben, ist der Be­such des ers­ten „Ar­tE­du­Camps“, zu dem am 3. De­zem­ber 2011 an die Hu­man­wis­sen­schaft­li­che Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Köln ge­la­den wurde – und bei dem auf­fäl­lig häu­fig die Rede vom „Hacking“ war; und zwar in ei­nem me­ta­pho­ri­schen Sinn.
Das ist si­cher kein Zu­fall, wenn wir mit Dirk Ba­ecker in Rech­nung stel­len, dass sich der Ha­cker an­schickt, den In­tel­lek­tu­el­len der mo­der­nen Buch­druck­ge­sell­schaft in ei­ner Weise zu be­er­ben, wie je­ner einst den Pries­ter an­ti­ker Hoch­kul­tu­ren be­erbte.4 Grund ge­nug, ge­nauer hinzuschauen. Denn die me­ta­pho­ri­sche Rede vom Hacking bleibt häu­fig un­ter­theo­ri­siert und ist zu­dem in ih­rer Sys­tem­re­fe­renz nicht im­mer ein­deu­tig: in ei­nem Atem­zug wer­den un­ter Re­kurs auf ei­nen er­wei­ter­ten Be­griffs­um­fang In­sti­tu­tio­nen, In­ter­ak­ti­ons­sys­teme oder gleich ganze Kul­tu­ren ge­hackt – und man­gelnde Trenn­schärfe mit Hilfe iden­ti­fi­ka­ti­ons­stif­ten­der Pro­jek­ti­ons­flä­chen über­brückt. Mög­li­cher­weise of­fen­bart sich die Leis­tungs­fä­hig­keit des Be­griffs aber erst auf ei­nen zwei­ten, drit­ten Blick. Denn es steht zu be­fürch­ten, dass eine pri­mär iden­ti­fi­zie­rende In­ter­pre­ta­tion eine dem Hacking ei­gene Am­bi­gui­tät zu schnell preis­gibt und so eben jene Spu­ren ver­schüt­tet, die es erst frei­zu­le­gen gilt. Es sei darum an die­ser Stelle vor­ge­schla­gen, den Be­griff des Ha­ckens zu­nächst im Rah­men ei­ner his­to­ri­schen Skizze auf seine ur­sprüng­li­che Be­deu­tung als „Aus­zeich­nung für Ein­falls­reich­tum und Hart­nä­ckig­keit bei Pro­blem­lö­sun­gen“5 zu­rück­zu­füh­ren. Um ihn an­schlie­ßend auch für eine Theo­rie so­zia­ler Sys­teme frucht­bar zu ma­chen, emp­fiehlt sich der Ver­such, den Hacking-Begriff mit Blick auf ge­sell­schaft­li­che Funk­ti­ons­sys­teme, kon­kret: in An­leh­nung an ein sys­tem­theo­re­tisch in­for­mier­tes Ver­ständ­nis von Codes und Pro­gram­men, zu be­grei­fen. Kann von dort aus der Hack selbst als eine kon­krete Form des So­zia­len no­tiert wer­den? Im Zuge ei­ner ex­pe­ri­men­tel­len Re-Kontextualisierung soll der Ver­such un­ter­nom­men wer­den, ei­nen abs­trak­te­ren Be­griff des Hacks zu gewinnen, um in ei­nem drit­ten und letz­ten Schritt schließ­lich an­zu­deu­ten, wie Hacks nach dem Kon­text­wech­sel von tech­ni­schen hin zu so­zia­len Sys­te­men prak­tisch denk­bar sein könnten.

[weiterlesen auf sebastian-ploenges.com/blog]

50m² of Public Space

… wie es auf dem blog ignant (SPITZENBLOG!) zu lesen gab, haben EPOS257 „für ihr neuestes Projekt auf dem Palackeho Platz in Prag eine 50 Quadratmeter große Fläche eingezäunt. Bis die Ämter und Behörden gemerkt hatten, dass keiner die Installation der Zäune in Auftrag gegeben hatte und ein Verantwortlicher für die Entfernung gefunden wurde, vergingen sage und schreibe 54 Tage!“ Bravo.

Directors Cut RWE

Ein toller Hack des RWE-Werbe-Video, gefunden bei bensen5.

Hiltonize Merkel!

Hypothetische Wahrheit und Googleability

Süddeutsche Zeitung (10./11.4.2010): Interview mit dem Medien-Designer Daniel van der Velden über die blühende Kultur inszenierter Fälschungen im Netz.

Ein sicherer Hafen im Sturm der Bits, Pixel und Soundbites liegt im Postjesweg, Amsterdam. Der niederländische Design- und Grafik-Think-Tank Metahaven hat sein Büro in einer alten Schmuckfabrik untergebracht. […]
In ihren Projekten, die sie in dem Buch Uncorporate Identity vorstellen, verschwimmt die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fälschung, Marketing und Kunst. „Wir erleben eine Demokratisierung der Fälschung“, sagt van der Velden. “ Was im Netz erzählt wird, ist nicht so sehr die Wahrheit, sondern etwas, das nur wahr sein könnte. […]
SZ: Herr van der Velden, stimmt es, dass Ihr Büro den Marketing-Auftrag für Sealand erhalten hat, ein fiktives Land in der Nordsee?
Daniel van der Velden: Sealand ist eine alte Militär-Plattform aus dem Zweiten Weltkrieg, die in den 70er Jahren von einem ehemaligen Offizier der Royal Navy besetzt und zu einem unabhängigen Königreich erklärt wurde. Niemand lebt auf der Betonstruktur. Niemand weiß, was man eigentlich damit machen soll. Sealand ist einfach da. Es ist eine Art realer Hoax, eine Fälschung aus Beton, die von den Mythen und Gerüchten lebt, die gerade im Internet-Zeitalter um sie herumschwirren. Sealand ist nur Bild und Projektionsfläche und hat so die radikalste künstliche Entwicklungsform einer Marke angenommen. […]
SZ: Vergangenen Herbst berichteten deutsche Nachrichtenagenturen und Online-Medien über einen Selbstmordanschlag, den Mitglieder der Hiphop-Gruppe Berlin Boys 666 in der kalifornischen Kleinstadt Bluewater durchgeführt hätten. Die Medien wurden durch einen Telefonanruf alarmiert, fanden im Netz Twitter-Meldungen von Augenzeugen, die Website der Polizei von Bluewater und einen Blogeintrag der vermeintlichen Täter. Stunden später kam heraus, dass alles vom Regisseur Jan Stahlberg inszeniert war, der PR für seinen neuen Film machen wollte.
Van der Velden: Auch der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy hat für sein letztes Buch einen Autor zitiert, von dem Aufsätze im Internet zu finden waren. Leider ist der vermeintliche Autor eine Satirefigur. Lévy hat dann ziemlich souverän reagiert und gesagt: „Der Mann mag vielleicht nicht existieren. Er hat aber trotzdem recht.“ Die Fiktion wurde Teil seiner Argumentationskette. Lévy hat die Grenze zwischen Realität und Phantasie transzendiert. Wir folgen ihm auf seinem Weg. […]
SZ: Vor zwei Wochen fand sich in der Tabelle der beliebtesten Suchanfragen bei Google der Begriff Lumberton Trading Company, eine amerikanische Plattenfirma, die es gar nicht gibt. Millionen E-Mail-Nutzer hatten eine Spam-Mail erhalten, in der die Lumberton Trading Company mit einer Klage wegen Urheberrechtsverletzungen drohte. Die Spam-Mail war so überzeugend formuliert, dass viele mehr Informationen einholen wollten. Lumberton tauchte somit auf der Agenda der Allgemeinheit auf – zwischen der Gesundheitsreform und dem Spielplan der Basketballliga.
Van der Velden: Da sieht man, dass es eine kreative Leistung ist, einen Namen zu erfinden, den die Leute für echt halten. Interessant bei den Spam-Mails ist doch, dass es immer um Geld geht, um Juristen, um Banken. Eine Form der Macht. […]
SZ: Die plötzliche Popularität der Lumberton Trading Company führte übrigens dazu, dass die automatischen Webseiten-Generatoren, die beliebte Suchbegriffe in ansonsten leere Webseiten integrieren, um Web-Traffic und Werbe-Gelder zu sammeln, immer mehr Seiten zum Thema erstellten. Die erfundene Firma wurde immer präsenter. Maschinen hatten das Wort ergriffen.
Van der Velden: Ja, Millionen Textseiten ohne Sinn. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass die Programme und Skripte irgendwann einmal von einem Menschen geschrieben wurden. Die Gestaltung von Informationen, das haben wir auch gemerkt, als wir unsere spekulativen Designs im Web platzieren wollten, hat sich von der visuellen Oberfläche in tiefere Strukturen verschoben.
Da geht es um Fragen der Googleability, wie man also eine möglichst hohe Position in der Treffertabelle der Suchmaschinen erreicht. Ganz ähnlich wie Autos, die in den vergangenen Jahrzehnten durch die Aerodynamik-Tests immer schlanker und glatter wurden und sich so in der Form anglichen, muss nun auch jedes Informationsobjekt einen Prozess durchlaufen, der es glättet und stromlinienförmig macht, damit es reibungslos durch die Netzwerke rutschen kann.“

Komplettes Interview in der Süddeutschen Zeitung